Ich
habe gestern das erste Mal bei einer Drehbuchaufstellung mitgemacht.
Das heißt, für die Figuren aus der Geschichte werden stellvertretend
echte Menschen hingestellt, die dann auch ein Eigenleben entwickeln.
Davon verspricht man sich, mehr Informationen über Hintergründe der
Figuren, die Konstellation und die Gefühle der Figuren zu bekommen.
Zuerst war ich nur Beobachterin. Immer mehr Figuren wurden auf dem
Spielfeld platziert, sie reagierten aufeinander, gingen aufeinander zu,
wichen sich aus, stritten …
Irgendwann, gegen Ende, kam ich dazu. Mir wurde nicht gesagt wer ich bin. Aber ich hatte eine Ahnung, ein Gefühl.
Ich ging auf die Figuren zu.
Ein Junge kam sofort zu mir, lehnte sich an mir an, er fühle sich geborgen, sagte er.
Der Hauptfigur, eine sehr kopflastige, kühle Person, streckte ich meine Hand entgegen. Sie nahm sie und ließ sie nicht mehr los.
Doch eine Figur, eine junge Frau musterte mich skeptisch.
Ich fühlte, dass ich gerne mehr Sicherheit hätte, ich war ganz schön wacklig auf den Beinen.
„Das ist hier doch alles nicht echt!“, raunte sie. „Du bist nicht echt.“
Ich streckt ihr die Zunge heraus und ärgerte sie ein kleines bisschen.
"Sag ihr, dass du ein Angebot bist!“, meinte die Trainerin zu mir.
„Ich bin ein Angebot!“, sagte ich. „Du musst mich nicht annehmen.“
Sie sah mich an. Dann kam sie etwas auf mich zu.
Sie nahm meine Hände und schaute mir in die Augen.
So standen wir für eine kurze Weile und sahen uns an.
Da bemerkte ich, wie sich die Tränen in ihren Augen sammelten.
Wie sie über ihre Wangen flossen.
Ich weinte mit ihr.
Wir umarmten uns.
Ich war die Liebe.